Allgemeine Erläuterungen

 

Wenn wir von einer Ausgliederung in einem Fußballverein sprechen, dann wird in der Regel die Profiabteilung eines ehrenamtlichen Vereins (e.V.) herausgelöst, um als Kapitalgesellschaft zu fungieren. Als Rechtsformen kommt demzufolge eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft (AG) in Frage. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) beschloss im Jahr 1998, dass diese Rechtsformen neben den ehrenamtlichen Vereinen ebenfalls am Spielbetrieb der Bundesliga teilnehmen dürfen. Um eine Ausgliederung zu realisieren, bedarf es einer Zustimmung seines höchsten Organs: Der Mitgliederversammlung. 75 Prozent der anwesenden Vereinsmitglieder müssen laut der Satzung für eine Ausgliederung stimmen, damit diese als Beschluss rechtskräftig ist.

 

 

Ziel einer Ausgliederung der Profiabteilung ist es in erster Linie, dass sich der jeweilige Club als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb versteht. Zwar dürfen auch eingetragene Vereine Gewinne erzielen, dies jedoch nur in einem eingeschränkten Rahmen und unter der Prämisse, dass die wirtschaftliche Betätigung dem ideellen gemeinnützigen Hauptzweck dient. Viele Fans befürchten jedoch, dass durch die Ausgliederung ein gewaltiger Identitätsverlust mit dem eigenen Verein einhergeht. Die Rechte der Mitglieder könnten stark eingeschränkt werden und das Wohlergehen des gesamten Vereins würde zu sehr in Abhängigkeit von möglichen externen Investoren abhängig sein.

 

Vor- und Nachteile

 

Jede Maßnahme, die gehörige Einschnitte in das Vereinsleben eines Fußballclubs bedeuten, ist sowohl mit Pro- als auch Contra-Argumenten versehen. Vor allem beim Thema Ausgliederung scheiden sich regelmäßig die Geister. Heute wollen wir beide Seiten einmal etwas genauer betrachten.

 

Vorteile

1) Externe Geldgeber. Für viele DAS herausragende Pro-Argument: Mehr Geld! Durch eine Ausgliederung ist es möglich, dass sich externe Investoren Anteile am Verein – also der Kapitalgesellschaft bei etwaiger (siehe Teil 1 der Serie) Ausgliederung – erwerben können. In Deutschland sind den Investoren durch die „50+1-Regel“ weiterhin Grenzen gesetzt. Ausnahmen bilden hierbei RasenBallsport Leipzig, der VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen.

 

Nur muss man diesen „Vorteil“ in der jetzigen Situation des CFC direkt etwas relativieren. Denn auf Grundlage einer Wirtschaftsprüfung wird der Unternehmenswert des Vereins bestimmt. Bei Bundesligisten geht man in der Regel von einem dreistelligen Unternehmenswert aus. Beim Chemnitzer FC ergibt ein Verkauf der Anteile in den kommenden drei Jahren aufgrund des Abstiegs in die vierte Liga und der Insolvenz wenig Sinn. Der Unternehmenswert des Vereins war noch nie so gering wie jetzt! Aus wirtschaftlicher Sicht des CFC ist ein Verkauf von Anteilen aktuell also verschenktes Kapital.

 

2) Rechtliche Absicherung. Da es zum Chemnitzer FC aktuell leider passt, legen wir hierfür das Beispiel der Insolvenz zu Grunde: Um im Falle einer durch die Fußball-Lizenzspielerabteilung verursachten Insolvenz die Existenz des Stammvereins mit all seinen Sparten nicht zu gefährden, stellt die Ausgliederung der Berufsfußballabteilung eine adäquate Möglichkeit dar, dieses wirtschaftliche Risiko allein auf die ausgegliederte Fußballaktiengesellschaft zu verteilen. Wird diese insolvent, so bleibt die Existenz des Stammvereins davon unberührt. Denn das Vereinsgeschehen selbst kann unabhängig vom wirtschaftlichen Schicksal der Lizenzspielerabteilung weiterhin bestehen. Zudem besteht seit Jahren angeblich die Gefahr, dass Vereine den Status der Gemeinnützigkeit verlieren. Bedeutet, dass es u.a. keine Steuerfreiheit mehr bei Spenden geben würde.

 

3) Professionellere Strukturen. Viele Vereine in den unteren deutschen Ligen sind in ihren Geschäftsstellen unterbesetzt. Auch beim Chemnitzer FC werden zu viele Aufgaben von zu wenig hauptamtlichen Mitarbeitern durchgeführt. Mit Hilfe einer Ausgliederung lassen sich durch externe Investoren Angestellte installieren, dich sich mit elementaren Themenfeldern beschäftigen. Anmerkung: Der Vorstandsvorsitzende des CFC, Andreas Georgi, hatte bereits im März diesen Jahres einen Plan entwickelt, um – abgesehen von einer Insolvenz – die Vereinsstrukturen zu professionalisieren. Leider konnten diese aufgrund seiner Suspendierung bisher nicht in die Tat umgesetzt werden. Deshalb bleibt abzuwarten, ob wirklich nur bei einer Ausgliederung professionellere Strukturen geschaffen werden können.

 

 

Nachteile

 

1) Stimmverlust der Mitglieder. Sobald externe Geldgeber Anteile eines Vereins kaufen, haben diese natürlich auch ein Mitbestimmungsrecht. Die Stimme des Vereins, welche durch dessen Mitglieder erfolgt, wird folglich schwächer. Bei elementaren Entscheidungen, die den Verein betreffen, können also auf einmal Personen bzw. Firmen mitentscheiden, denen im schlechtesten Fall nichts am Verein liegt, sondern nur am positiven Fortbestand des eigenen Kapitals. Die Interessen der Mitglieder und Fans finden dabei keine Berücksichtigung. Aufgrund der „50+1-Regel“ liegt die Stimmmehrheit in Deutschland – wenn auch nur knapp – jedoch bisher weiterhin beim Verein.

 

2) Abhängigkeiten von Investoren. Die Erfahrungen der letzten Jahre belegen, dass es durchaus Investoren gibt, die ihre Kompetenzen im Vereinswesen maßlos überschätzen und Eingriffe in das Tagesgeschäft des Vereins vornehmen. Sei es bei der strukturellen Ausrichtung des Vereins oder der Zusammenstellung der Mannschaft. Da das angelegte Kapital eines Investors jedoch für den Fortbestand des Vereins überlebenswichtig sein kann, lässt man diese Personen gewähren. Auch wenn dabei nicht zum Wohle des Clubs und seiner Werte entschieden wird.

 

3) Identitätsverlust. Die Aussage, die Ausgliederungs-Gegner immer wieder zu hören bekommen, lautet: „Die Zeiten der Fußballromantik sind vorbei!“ Aber ist dem wirklich so? Fans und Mitglieder sind Teil eines Vereins, weil man sich mit dessen Werten und seiner Geschichte identifiziert. Der Sinn eines Fußballclubs besteht für den Großteil darin, dass er Menschen verbindet und ein Aushängeschild der Stadt ist. Als eingetragener Verein ist man für das Gemeinwohl der Leute verantwortlich. Sollte dieser e.V. nun ausgegliedert werden, ist das erste und vorrangige Ziel das wirtschaftliche Wachstum der daraus entstandenen Kapitalgesellschaft. Es steckt wohl mehr hinter diesem Fakt, sodass er nicht nur als trockenes Ergebnis einer Ausgliederung abgestempelt werden kann. Beispiele aus vielen anderen Vereinen, die den Schritt hin zur Kapitalgesellschaft bereits bewerkstelligt haben, zeigen das unmissverständlich auf. 

 

Blick auf andere Vereine

 

Nachdem wir uns die Definition und Möglichkeiten einer Ausgliederung angesehen sowie die Vor- bzw. Nachteile beleuchtet haben, wollen wir diesmal auf einige Vereine schauen, bei denen die Umstrukturierung hin zur Kapitalgesellschaft bereits stattfand. Die Methoden, deren Wirkung und die Reaktionen der Fans sind dabei äußerst unterschiedlich ausgefallen.

Hamburger SV: Als Schritt in eine bessere Zukunft war die Ausgliederung der Profi-Abteilung im Jahr 2014 angedacht. Unter anderem sagte „Edelfan“ Klaus-Michael Kühne seine Unterstützung in Form von 25 Millionen Euro zu. Innerhalb von drei Jahren sollte der Europapokal anvisiert werden. Es kam bekanntlich anders.


Was ist passiert? Zur entscheidenden Mitgliederversammlung wurde knapp 10.000 anwesenden Personen versprochen, die Entschuldung des Vereins mittels strategischer Partner umzusetzen, hohe Investitionen in den Nachwuchsbereich zu stecken und allgemein mehr Fußballkompetenz im Umfeld des ehemaligen Bundesliga-Dinos zu installieren. Am Ende scheiterten die ambitionierten Ziele vordergründig am hohen Einfluss des weiter oben erwähnten K.-M. Kühne. Dieser mag zwar wirtschaftlich ein hohes Knowhow haben, aber dank seiner Anteilskäufe an der HSV AG mischte er sich zu intensiv in den sportlichen Bereich ein.

Das Ende vom Lied: Der Hamburger SV kaufte überteuerte und/oder veraltete Spieler für teures Geld und schloss u.a. mit Adidas einen unprofitablen Deal ab, um bei sportlichem Erfolg schnelles Kapital zu erwirtschaften. Seit 2018 spielt der Traditionsverein erstmalig in der 2. Bundesliga und der Schuldenberg wuchs weiter an. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Kühne sich vorerst komplett als Investor zurückziehen wird, da sein Wunsch – Anteilssteigerung von 20,57 auf 35 Prozent – von der HSV-Spitze abgelehnt wurde. Nun wird fieberhaft nach einem neuen Investor gesucht, von dem man sich unfreiwillig ebenfalls abhängig machen muss.

 

 

VfB Stuttgart: In den Medien werden die Schwaben für die Handhabung ihrer Ausgliederung aus dem vergangenen Jahr immer wieder gelobt bzw. als positives Beispiel genannt. Die Daimler AG erkaufte sich 11,75 Prozent der Anteile an der neu geschaffenen VfB-Aktiengesellschaft und investierte direkt in die Nachwuchsabteilung, welche der direkten Konkurrenz aus Hoffenheim ordentlich hinterherhing. Zudem kann ein ordentlicher Anstieg der Mitglieder- und Sponsorenzahlen festgehalten werden. Ob dies jedoch – wie vom Verein des Öfteren angepriesen – mit der Ausgliederung zusammenhängt, darf allerdings bezweifelt werden. Der Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga hat da sicher keinen unerheblichen Anteil dran.

Der Ablauf der Mitgliederversammlung, bei der die Ausgliederung mit einer Mehrheit von 84,2 Prozent durchging, kann als skurril bezeichnet werden. Es wurden Shuttlebusse eingesetzt, um so viele Mitglieder wie möglich bei der Veranstaltung zu haben und jede anwesende Person erhielt als Geschenk ein VfB-Trikot. Zudem kamen Video-Botschaften – u.a. von Timo Hildebrand zum Einsatz –, die sich pro Ausgliederung einsetzten. Interessanter Fakt: Der ehemalige Nationalkeeper ist nicht einmal selbst Mitglied bei seinem „Herzensverein“. Überteuertes Catering aus den letzten Jahren wurde bei dieser Mitgliederversammlung durch Verzehrgutscheine ersetzt. Wie diese Gegebenheiten zu werten sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.


Das „Commando Cannstatt“ gab zuletzt immer wieder zu Protokoll, dass die Distanz zwischen Fanszene und Verein seit der Ausgliederung immer größer geworden ist. Konnte im Jahr 2013 noch erreicht werden, dass eine Abstimmung über das alte VfB-Wappen auf einer Mitgliederversammlung auf der Tagesordnung stand, ist man mittlerweile überhaupt nicht mehr in Club-Prozesse eingebunden. Der Identifikationsverlust gegenüber dem eigenen Verein scheint sich in kurzer Zeit enorm vertieft zu haben. Das belegen u.a. viele O-Töne aus der bekannten „Karawane Cannstatt“, welche alljährlich zu Saisonbeginn stattfindet.



VfL Bochum: Vor knapp einem Jahr fand die wohl emotionalste Mitgliederversammlung in der Geschichte des Revierclubs statt. Knapp 80 Prozent der anwesenden Personen sprachen sich damals für eine Ausgliederung und den Einstieg externer Investoren aus. Die Gegner dieser Entscheidung verließen empört den Saal. Stühle und ein Böller flogen durch das weite Runde, um sich seiner Empörung Luft zu verschaffen. Für 20 Prozent seiner Anteile will der VfL in den kommenden fünf Jahren 20 Millionen Euro erlösen. Eine vergleichsweise geringe Zahl, wenn man die Dimensionen anderer, aktueller und ehemaliger Bundesligisten bedenkt.

Das einst gelebte Image des Vereins: „selbstbewusst statt selbstgefällig, bodenständig statt abgehoben, anfassbar statt unberührbar“ hat die „graue Maus der Bundesliga“ zumindest für die eigenen Anhänger zu einem wichtigen Teil des Lebens werden lassen. Bereits in den vergangenen Jahren war der Verein jedoch eher zum Chaosclub der zweiten Liga mutiert. Als Beispiel kann hierfür die Entlassung von Ismail Atalan nach nur 91 Arbeitstagen genannt werden. Ob man mittels des Prozesses hin zur Kapitalgesellschaft wieder der dringend notwendige Gegenpol zur scheinbar übermächtigen regionalen Konkurrenz aus Gelsenkirchen und Dortmund werden kann, darf bezweifelt werden. Vor allem wenn man die weiter oben relevante Relation zwischen Anteilsverkäufen und Kapitalgewinnung bedenkt.

Die Initiative „echt VfL“ ging nach Bekanntgabe der Ausgliederungspläne relativ schnell an den Start, um diesen entgegenzuwirken. Aufklärungsarbeit, Info-Abende und Demos standen hierbei auf der Tagesordnung, um den drohenden Verlust der Vereins-Identifikation zu vermeiden. Auch wenn die Kampagne im Endeffekt ohne Erfolg blieb, empfehlen wir jeden Leser die Seite: www.echtvfl.de, welche inhaltlich die Thematik der Ausgliederung sehr gut aufgreift. Die Ultragruppen in Bochum stellten nach der Entscheidung, dass die erste Mannschaft des VfL zukünftig als Kapitalgesellschaft fungiert, die Unterstützung komplett ein. Ein halbes Jahr später versuchte die Faninitiative Bochum mit Hilfe von über 50 Fanclubs wieder Belebung in die Bochumer Supportwelt zu bringen. Bisher blieb es beim Versuch.

 

 

1. FC Magdeburg: Bereits 2015 unternahm die Vereinsführung den ersten Versuch, um die erste Profimannschaft des 1. FCM auszugliedern. Damals war relativ schnell ersichtlich, dass – aufgrund des hohen „BlockU“-Anteils – die geforderte 2/3 Mehrheit wohl nicht erzielt werden könne. Mit dieser Erkenntnis startete der Club eine intensive, gewissenhafte Werbekampagne, um die Umstrukturierung durchzuführen. Fast schon ein Novum: Neben Vereins- und Wirtschaftsvertretern waren auch Fans in den Prozess der Ausgliederung involviert.

Ein wichtiger Punkt für viele Anhänger: Die Mitglieder des Vereins müssen mit mindestens einer ¾-Mehrheit den Einstieg eines Investors gutheißen. Die kritische Betrachtung der Fanszene hinsichtlich eines möglichen Identitätsverlustes oder einer Fremdsteuerung durch Investoren findet sich somit im eigenen Stimmrecht wieder. Die ehrliche Aufarbeitung der gesamten Thematik durch Präsident Peter Fechner und Gefolgschaft bezeichnen nicht Wenige als Vorzeigemodell.

 

 

F.C. Hansa Rostock: 95 Prozent der anwesenden 909 stimmberechtigten Mitglieder stimmten im Frühjahr 2016 für eine Ausgliederung der Profiabteilung ab. Bereits knapp ein Jahr zuvor wurden über die Pläne bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung informiert. Der „Fanszene Rostock e.V.“ erarbeitete in schneller Zeit mögliche Vor- und Nachteile einer Ausgliederung. Zudem stellte der Fanverein Bedingungen auf, welche auch für unseren CFC nicht unerheblich sein sollten. Da die Vereinsführung von Hansa die Forderungen zu großen Teilen berücksichtigte, ging der Ausgliederungsprozess in Rostock vergleichsweise still über die Bühne.

 

Die einzelnen Punkte lauteten:

 

  • Mitgliederrechte müssen im vollen Umfang erhalten bleiben und dürfen nicht eingeschränkt werden
  • Die übrigen Vereinsstrukturen bleiben bestehen und erhalten volle Zugriffsrechte auf die ausgegliederte Profiabteilung
  • Investoren erhalten kein Stimmrecht in der ausgegliederten Profiabteilung oder im Verein
  • Alle zu schützenden Werte des Vereins wie Wappen, Vereinsname und Rechte am Stadionnamen werden im Verein eingegliedert bzw. verbleiben dort
  • Das Stadion bleibt bzw. wird Vereinsvermögen
  • Der Prozess der Ausarbeitung der Ausgliederung wird aktiv von einer Kommission von Mitgliedern begleitet bzw. die Möglichkeit der Mitarbeit wird gewährleistet